"Faschismus wurde zu
einem für „Allzweck-Begriff“, weil man aus faschistischen Regimen Merkmale
eliminieren kann und es trotzdem noch als faschistisch erkennbar sein wird.“ schrieb
Umberto Eco 1995. „Nehmen Sie den Imperialismus vom Faschismus und Sie
haben noch Franco und Salazar. Nehmen Sie den Kolonialismus weg und sie
haben noch den Balkanfaschismus der Ustascha. Fügen Sie dem italienischen
Faschismus einen radikalen Anitkapitalismus hinzu, (der Mussolini nie
fasziniert hat) und Sie haben Ezra Pound. Addieren Sie einen Kult der
keltischen Mythologie und die Gral-Mystik (völlig fremd dem offiziellen
Faschismus) und Sie haben einen der angesehensten faschistischen Gurus,
Julius Evola." Ich nehme mir die Freiheit, einige meiner Erwägungen, zwar sehr abduktiv, preiszugeben : - Wie kann man in einer einzigen Kategorie das Programm Lebensborn, den Status der Frau in der DDR, die sogenannte Politik des Einzelkindes in China und die Unterdrückung des Schwangerschaftsabbruches in Rumänien zur Zeit Ceaucescus nebeneinander stellen ? Muss der Inhalt des Totalitarismusbegriffs angesichts dessen nicht wieder in Frage gestellt werden ? - Was die Lebensbornkinder erlitten haben, erweckt unterschiedliche Mitgefühle ob auf deutscher oder auf belgischer bzw französischer Seite. Wenn die Empathie, diese neueste Version des Mitleids, so sehr vom kulturellen Kontext abhängig ist, muss sie dann nicht als allgemeingültige Methode wieder in Frage gestellt, also relativiert werden ? In Belgien wurde der Antifaschismus zu oft mit Deutschfeindlichkeit amalgamiert : wem nutzt das ? - Die Opfer des Nationalsozialismus waren äußerst zahlreich, jede Menschgruppe vervollständigt das Bild, das wir uns von diesem Regime machen : ist es eben nicht nötig, alle Opferkategorien zu erwähnen, ohne sie quantitativ zu diskriminieren ? Um ins Konkrete zurückzukommen : heute wollen wir zuerst den Direktor von Wégimont, Herrn Mestrée, hören, der uns eine kurze Geschichte der Anstalt darlegen wird. Darauf folgen drei Referenten : Frau Astrid Eggers, Lebensbornkind, Prof. Dr. Georg Lilienthal, Leiter der Gedenkstätte Hadamar und Herr Boris Thiolay, Redakteur der französischen Zeitschrift « L’Express », der über die Lebensbornkinder ermittelt hat. Drei Redner, also drei Sichtweisen : die Zeitzeugin, die das Problem erlebt hat und dessen Folgen noch immer erlebt, der Wissenschaftler, der vergleicht, analysiert und die Mechanik des kriminellen Unternehmens zerlegt, und dazwischen der investigative Journalist, dessen Ermittlungen die Verbindung erlaubt. Zum Schluss werden wir Zeit für die Fragen aus dem Publikum haben, mit Hilfe der nicht unbedingt qualifizierten und ehrenamtlichen Dolmetscher. Ich möchte meinen Dank aussprechen all denjenigen, die uns unterstützen : die Stadt Aachen, die Volkshochschule Aachen, « Demokratie erleben », die Kulturabteilung der Provinz Lüttich, die Territoires de la Mémoires (buchstäblich Gebiete der Erinnerung) sowie das Provinzialgebiet Wegimont und dessen Personal, die uns sehr freundlich empfangen haben, was nicht selbstverständlich war, da das Image der Anstalt eher eines der Lebensfreude ist. Zum Schluss : es geht hier nicht um die erste Zusammenarbeit zwischen den Territoires, der VVN Aachen und dem Spaer Freidenkerkreis « die Vernunft » : hoffentlich auch nicht die letzte. |